2. Februar 2012

Christian Wulff und der Radsport - ein deutsches Desaster

Momentan nix zu lachen: Deutsche Radsportler und der
deutsche Bundespräsident
Was haben unser Bundespräsident und der Radsport gemein? Auf den ersten Blick nicht viel. Radsportler befinden sich meist an der frischen Luft, arbeiten körperlich, müssen nicht gut reden können während Herr Wulff in seinem Büro oder in langweiligen Sitzungen hockt oder vor den Mikrofonen der gierigen Journaille sein Leben erklärt. Aha - und schon ist man schneller als erwartet bei den Parallelen...

Radsportler - wenn sie zu den besseren gehören - müssen sich ständig rechtfertigen. Warum dieses oder jenes Mittelchen in ihrem Blut oder Urin gefunden wurde, wo sie sich aufhalten werden und und und... Genau wie der Herr Wulff. Der muss auch ständig erklären, woher er dieses oder jenes Quäntchen Zuwendung erhalten hat, wie und warum er von A nach B gekommen und wie die ein oder andere verbotene Substanz in seinen politischen Blutkreislauf gekommen ist. Waren es vor kurzem noch Flugreisen, konzentriert man sich in der Presse seit heute offenbar auf die Fortbewegung mittels PKW...


*****BUNDESPRÄSIDENTEN-AFFÄREWulffs Audi beschäftigt die Staatsanwaltschaft

Der Präsident und seine Frau fuhren offenbar monatelang kostenlos Auto. Die Staatsanwaltschaft hat Vorermittlungen wegen des Verdachts der Vorteilnahme eingeleitet.Die Staatsanwaltschaft Berlin prüft, ob Bundespräsident Christian Wulffsich im Zusammenhang mit der Nutzung eines Autos der Vorteilsnahme schuldig gemacht haben könnte. "Es findet bei uns im Hause eine Vorprüfung statt, ob strafbares Verhalten vorliegt", sagte Oberstaatsanwältin Simone Herbeth der Frankfurter Rundschau.
Den Zeitungsberichten zufolge durfte das Ehepaar Wulff den Wagen vom Typ Audi Q 3 schon ab Sommer 2011 offenbar kostenlos fahren – Monate bevor das Modell überhaupt zu kaufen war. Die Lieferung sei von der Spitze der Audi AG veranlasst und der sonst noch nirgends erhältliche Wagen dem Ehepaar Wulff als "Vorserienmodell" zu Promotion-Zwecken zur Verfügung gestellt worden. 
(Quelle: Die Zeit, 02.02.2012)
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Das Problem dabei ist nicht, dass sowohl der Radsport wie auch der Bundespräsident eine reine Weste hätten. Nein, das ist keineswegs so. Das Problem scheint vielmehr ein rein deutsches zu sein: Wenn hierzulande jemand etwas auf dem Kerbholz hat, dreht sich das Bild schnell um 180 Grad. Heute noch der Held, morgen schon in der Gosse. Und wenn dann einer schonmal am Boden liegt, treten alle nochmal drauf. Möglichst lange, möglichst schmerzhaft. So lange, bis der Delinquent restlos zerstört ist. Es ist einerseits ein Phänomen der Politik, andererseits - und noch mehr - der hiesigen Medien. In ersterer konzentriert sich die Energie der Protagonisten zunehmend auf die Demontage der anderen Seite. Die Opposition wettert über die Regierung. Die wiederum wettert über die Opposition, wenn auch etwas gelassener, da sie ja in der komfortableren Position ist. So kommt es dann auch schonmal zu Phänomenen wie damals, als der letzte Bundespräsident abtrat. Unerwartet und verbittert. 
Brot und Spiele - Hauptsache einer bleibt liegen
Vorausgegangen war unter anderem eine Tirade des Grünen Fettnapfjägers Jürgen Trittin, der unsachlich lospolterte, worauf Herr Köhler einfach so das Handtuch warf. Weil er keine Lust mehr auf das Kasperltheater hatte, das auf der politischen Bühne gespielt wird. Derselbe Trittin stellte sich tags darauf vor laufende Kameras, um sein ehrliches Bedauern über diesen schwerwiegenden politischen Verlust zu heucheln. Schlimmer noch - da wesentlich plumper -  zeigt sich seine Kollegin Knast...sorry, da ist das "ü" untergegangen - Künast muss es heißen. Sie schimpft stumpf gegen alles an, was die Regierung tut, sagt und denkt. In unangemessener Lautstärke und mit aufgesetzter Aufgeregtheit. Ein Hund der bellt, aber mangels eigener Ideen nichts zu beißen hat. Im Radsport ist es ähnlich. Nur, dass hier der Kurs hauptsächlich von den Medien bestimmt wird. Jahrzehntelang war sämtlichen Sportreportern klar, dass hier gedopt wird, man aber tunlichst den Mund zu halten hatte, denn schließlich konnte man ja gut von der durch Jan Ullrich und dem Team Telekom generierten Popularität profitieren. Dann wendete sich 2006 die Berichterstattung abrupt gegen den Radsport, als es profitabler wurde, über Doping und die Abgründe des einstigen Heldensports zu schreiben, anstatt diesen weiterhin zu glorifizieren. Damals, 2006, freute sich einjeder darauf, dass unser Jan es dem unsympathischen Ami bei der Tour de France ordentlich besorgen würde. Unmittelbar vor es losgehen sollte, die erschütternde Nachricht einer positiven Dopingprobe. War aber alles nicht so schlimm, wir hatten ja unser Klinsi-Jogi Sommermärchen. Das war das Positive in jenem Sommer. Und weil der Mensch Balance und Ausgleich braucht, wurde uns bei all der wunderbaren Stimmung im Land der Skandal im Radsport präsentiert. Das war das Negative in jenem Sommer.  A propos Märchen: Doping im Fußball macht keinen Sinn. Aber lassen wir das an dieser Stelle. 

Komfortables Leben im Windschatten der Sünder

Das naive Volk glaubt alles, was die Zeitungen schreiben und bläst daher ins gleiche Horn. Und noch einmal: Im Radsport wird oft gedopt!, keine Frage. Doch muss sich dabei alles auf diese eine Kombination konzentrieren? Das Thema Radsport ohne das Thema Doping ist heute undenkbar, genauso wie beim Begriff Doping sofort an Radsport gedacht wird. Sehr zur Freude anderer Sportarten (siehe auch früherer Beitrag: Radsport Flop -Fußball Top ), die am Rande des Strudels agieren und so dem Epizentrum entgehen. Und so komme ich wieder zum Eingangsthema: Hat sich die Gesellschaft einmal in ein Thema verbissen, lässt sie nicht mehr locker, geht mit Scheuklappen zielgerichtet vor. Erst, wenn sich der Sturm gelegt hat, die Exekution erfolgreich über die Bühne gebracht wurde, sucht sich das Tier ein neues Opfer zum Nachtisch - meist mit nicht mehr ganz so großem Appetit. Als Zu Guttenberg demontiert war, kam Koch-Mehrin an die Reihe. Aber erst im Anschluss, hübsch der Reihe nach, denn mehrere ähnliche Fälle gleichzeitig auszuschlachten ist ineffizient und lohnt sich finanziell nicht. So lange der eine noch genug Potenzial bietet, legt man den nächsten Skandal erstmal auf Wiedervorlage. Eine durchaus deutsche Tugend. Bloß keine Ressourcen verschwenden, Fleißig eine Aufgabe abarbeiten und dann die nächste im wahrsten Sinne "in Angriff" nehmen. Die Prognose: Ist Wulff zerfleischt, werden andere Politiker mit ähnlichen Vergehen ins Rampenlicht gezerrt. Gibt der Radsport nichts mehr her, sucht man sich eine andere Disziplin. Der Vorschlag: Biathlon. Denn wenn Magdalena Neuner nicht mehr aktiv ist, stört nicht mehr die charmante Sympathieträgerin, die viel zu nett war, um sie dem Volk zum Fraß vorzuwerfen.

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