21. November 2016

Über den großen Ausverkauf guter Ideen und die Gratis-Mentalität der Kreativbranche

Aus stichhaltigen Gründen mal wieder ein bisschen Weltschmerz in eigener Sache:
Wer hat eigentlich die Weisheit verbreitet, dass das Anfertigen von bunten Bildchen, sprich: das Entwicklen von Firmenlogos oder Verfassen von Werbeblabla, sprich: Texterstellung, sowie alles andere, was man sonst so als Pixelschubbser und Wortclown tut, umsonst oder kaum der Rede wert sein sollte? Nur, weil unsere Leistung nicht aus Stein, Holz und Metall, sondern in der Regel aus Einsen und Nullen oder bestenfalls aus Buntgedrucktem besteht?

Da wird um ein paar Euro verhandelt - von Menschen, die locker auch mal ein paar schlechte Wochen haben dürfen und am Ende jeden Monats pünktlich dieselbe Zahl auf dem Kontoauszug sehen (und wehe dem, es ist mal nicht so, dann ist sofort die Gewerkschaft auf dem Plan). Da muss man von Kunden hören, dass man jemanden gefunden hat, "der es billiger macht" (ja, "BILLIG" ist nicht selten das richtige Wort dafür). Rein aus schlechtem Gewissen heraus vergleicht man dann natürlich die Preise in der Branche, um festzustellen, dass man vielmehr weit weit unter dem preislichen Durchschnitt des üblichen Branchenniveaus herumtigert. Wohlgemerkt bei maximaler Flexibilität und Gutmütigkeit. "Heute ist Freitag, 16 Uhr. Sie brauchen die Entwürfe am Montag? Na klar, machen wir."

Und dann wundert es dieselben Kunden, dass sie dem Ex-Grafiker des Vertrauens irgendwann wieder in der Kneipe begegnen - hinter dem Tresen, Gläser polierend ("Ach wie bedauerlich. Wir haben doch immer so toll mit Ihnen gearbeitet.").
Man wünscht sich manchmal, man wäre Bäcker geworden. Denn in der Bäckerei geht es streng geordnet zu - mit in Sauerteig gemeißelten Regeln:

1. Man stellt sich hinten an und wartet, bis man drankommt. Auch wenn es eilig ist.
2. Brötchen kosten XY Cent. Jedes einzelne.
3. Zusätzliche Brötchen kosten XY Cent. Jedes einzelne.
4. Wenn man nach dem Frühstück noch Hunger haben sollte und ein zweites Mal zum Bäcker geht, kostet jedes Brötchen wiederum XY Cent. Jedes Einzelne.
5. Das, was man bestellt, zahlt man klaglos und feilscht um keinen Rabatt.
Und Warum?
6. Weil der Bäcker hat sein Handwerk gelernt hat. Er ist ein Spezialist, dem man vertraut. Seine Arbeit hat Hand und Fuß und ist es wert, entlohnt zu werden.

Nach der Bezahlung nochmal auf dem Absatz kehrtmachen und sagen: "Ach wissense was, ich weiß nicht ob uns die Weizenbrötchen auch wirklich schmecken. Könnense mir noch zwei Roggensemmeln in die Tüte reinlegen, damit wir nochmal was anderes probieren können? Danke. Und Tschüss..."

Nein, das tut man einfach nicht. Nicht beim Bäcker, nicht beim Metzger - und nicht in einer Werbeagentur. Warum? Weil wir - genauso wie der Bäcker, der Installateur, der Rechtsanwalt - Spezialisten sind. Wir können, was wir tun. Und wir tun es mit Leidenschaft und gerne - zumindest unter fairen Voraussetzungen. Denn welcher Bäcker backt schon mit Enthusiasmus Brötchen, wenn er weiß, dass er ein Viertel davon verschenken und bei der Hälfte den Preis erläutern muss?
Das Ende vom Lied: Er backt kleinere Brötchen - zum selben Preis.

Hier ein wunderbarer Artikel, der den Nagel auf den Kopf trifft...
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