4. November 2013

Radleidenschaft: Da weiß man, wo's herkommt.


Der Hang dazu, sich mit muskelbewegten Vehikeln durch die Landschaft zu bewegen.
Über Stock und Stein, Berge rauf und Berge runter, diese Neigung muss schon irgendwie begründet sein. Dass es sich im Laufe der Zeit entwickelt hat, war klar. Aber dass es vererbt wurde, das ist neu. Dabei muss aber irgendwie die Begabung fürs Handwerkliche abhanden gekommen sein.






Dieser Bericht hier ist der eindeutige Beweis. Mein Ur-Ur-Urgroßvater war es. Lest selbst!


Die Hersfelder Hochräder

Hochrad
Hochrad mit Speichen und Rädern aus Holz, gebaut von Werkmeister Franke
Am 8. Mai 2000 (>Die Hersfelder Hochräder) stellte ich in dieser Serie den schlitzstämmigen Erfinder Adam Christian Franke und seine spektakulären Hochräder vor. Die Hersfelder Festschrift von 1975/76 S. 91ff. vermittelte mir weitere Erkenntnisse über diesen bemerkenswerten Zeitgenossen; zwei der von ihm konstruierten Hochräder befinden sich im Hersfelder Museum. Sie tragen folgende Notierungen:
"A 28) Hochrad mit Holzfelgen und -speichen. Durchmesser des Vorderrades 117cm, des Hinterrades 36cm. Pedale am Vorderrad. Verfertigt von Christian Franke, Schlitz 1887, Leihgabe 1926."

"A 29) Hochrad. Gleiches System wie A 28, aber mit Metallspeichen (aus Sprungfedern gemacht), Eisenfelgen und Hartgummireifen. Verfertigt von Werkmeister Franke, Hersfeld. Die Räder haben den gleichen Durchmesser wie A28. Geschenk von Werkmeister Franke, Dezember 1924."
Hochrad
Werkmeister Franke baute 1892 ein Hochrad mit Eisenfelgen, Metall- speichen und Gummireifen
"Mit diesen beiden Rädern kommen wir zu unserem Hersfelder Fahrradbauer Adam Christian Franke (geb. Schlitz 14.2.1870, gest. Bad Hersfeld 18.3.1963). Franke hatte im väterlichen Geschäft das Drechsler- und Bürstenmacherhandwerk erlernt. Der aufgeweckte Junge schwärmte, wie die Jugend aller Zeiten, für alles Neue, das noch den Reiz der Sensation und des Abenteuers hatte. Und das war für ihn der Traum vom Fahrrad, das er nur als Hochrad kannte. Die Eltern hatten, verständlicherweise, kein Verständnis für solche Gaukeleien und brotlosen Künste. Doch Christian ließ sich nicht entmutigen. Heimlich, nachts, wenn die Eltern glaubten, er schlafe, schlich er in die etwas abseits liegende Werkstatt und machte sich an die Arbeit. Den eisernen Bügel, der das große Vorderrad mit dem kleinen Hinterrad verband, ließ er sich von einem Schlosser machen. Nach wochenlanger Arbeit, gelegentlich von einem Freund unterstützt, war das Meisterstück vollendet. Die Eltern gaben, wenn auch widerstrebend, nach. Beeindruckt von der Erfindungsgabe des Sohnes, die sie doch mit verhaltenem Stolz erfüllte, blieb ihnen freilich die Sorge um Sicherheit und Gesundheit des Jungen, dem nun das Abenteuer des halsbrecherischen Fahrens bevorstand.

Nach wochenlangen Übungen, Christian war eifriger und geschickter Turner, trat er seine erste Fernfahrt an. Frankfurt war das angegebene Ziel, das er erst abends erreichte. Nach mehr oder weniger schlafloser Nacht im Wartesaal, bestieg er mitsamt seinem sperrigen Hochrad den Frühzug nach Darmstadt. Das war seine erste Fahrt mit der Eisenbahn, und sie hatte ihn 7 Groschen gekostet, dazu auch noch den Groschen für den Frühkaffee am Darmstädter Bahnhof. Ein teures Vergnügen für ihn und seine Zeit. Das Mädchen, dem sein Besuch galt, sie hatte die Ferien bei der Schlitzer Großmutter verbracht, war in der Schule. Warten mochte er nicht. Also ab, in Richtung Heimat, durch das Darmstädter Ried, über Offenbach und Büdingen. In einem jüdischen Dorfgasthof übernachtete er, inklusive Frühstück 4 Groschen. Am späten Nachmittag traf er verstaubt und schweißbedeckt mit dem stolzen Gefühl des Siegers im heimatlichen Schlitz ein. Als Sieger über elterliche Vorurteile und Ängste, aber auch über die eigene Schwäche, die ihn wiederholt befallen hatte, als er das schwere Gefährt schwitzend, schnaufend und mit pochendem Herzen immer wieder die steilen Hänge des Vogelsberges hinaufdrücken musste. Die reine Fahrzeit der Rückfahrt betrug 17 ½ Stunden.
1890 ging Franke nach Hersfeld, wo er es in der Gottliebschen Seilerei zum Werkmeister brachte.
Sein Hobby gab er nicht auf.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen